- Kanada veranstaltet NATO-Innovationswettbewerb zur kognitiven Kriegsführung
- NATO-unterstützte kanadische Militärs erörtern kognitive Kriegsführung auf einer Podiumsveranstaltung
- NATO-Forscher beschreibt kognitive Kriegsführung als “Methoden zur Schädigung des Gehirns”
- NATO-Studie zur kognitiven Kriegsführung warnt vor “eingebetteter fünfter Kolonne”
- Kanadischer Offizier für Spezialeinsätze unterstreicht die Bedeutung der kognitiven Kriegsführung
- Kognitive Kriegsführung ist die fortschrittlichste Form der Manipulation, die es bisher gab
- Kanadischer Militäroffizier fordert Unternehmen auf, in die NATO-Forschung zur kognitiven Kriegsführung zu investieren
Westliche Regierungen im NATO-Militärbündnis entwickeln Taktiken der “kognitiven Kriegsführung” und nutzen die angebliche Bedrohung durch China und Russland, um einen “Kampf um das Gehirn” im “Humanbereich” zu rechtfertigen, um “jeden Menschen zur Waffe zu machen”.
Die NATO entwickelt neue Formen der Kriegsführung, mit dem Ziel, einen “Kampf um das Gehirn” zu führen, wie es das Militärbündnis ausdrückt.
Das von den USA angeführte NATO-Militärkartell hat neuartige Formen der hybriden Kriegsführung gegen seine selbsterklärten Gegner getestet, darunter Wirtschaftskrieg, Cyberkrieg, Informationskrieg und psychologische Kriegsführung.
Jetzt entwickelt die NATO eine völlig neue Art der Kriegsführung, die sie als kognitive Kriegsführung bezeichnet. Diese neue Methode, die als “Bewaffnung der Gehirnwissenschaften” beschrieben wird, beinhaltet das “Hacken des Individuums”, indem “die Schwachstellen des menschlichen Gehirns” ausgenutzt werden, um ein ausgefeilteres “Social Engineering” [Anm. d. Ü.: soziale Steuerung] durchzuführen.
Bis vor kurzem hatte die NATO den Krieg in fünf verschiedene operative Bereiche unterteilt: Luft, Land, See, Weltraum und Internet. Mit der Entwicklung von Strategien zur kognitiven Kriegsführung diskutiert das Militärbündnis jedoch eine neue, sechste Ebene: den “Humanbereich”.

In einer von der NATO geförderten Studie über diese neue Form der Kriegsführung aus dem Jahr 2020 heißt es:
“Während die Aktionen in den fünf Bereichen ausgeführt werden, um eine Wirkung auf den Humanbereich zu erzielen, besteht das Ziel der kognitiven Kriegsführung darin, jeden zu einer Waffe zu machen.”
“Das Gehirn wird das Schlachtfeld des 21. Jahrhunderts sein”, betont der Bericht. “Der Mensch ist der umkämpfte Bereich” und “künftige Konflikte werden wahrscheinlich zuerst digital und danach physisch in der Nähe von Zentren politischer und wirtschaftlicher Macht ausgetragen.”

Die von der NATO unterstützte Studie betonte zwar, dass ein Großteil der Forschungsarbeiten zur kognitiven Kriegsführung defensiven Zwecken dient, räumte aber auch ein, dass das Militärbündnis offensive Taktiken entwickelt, und erklärte: “Der Mensch ist sehr oft die Hauptschwachstelle und das sollte anerkannt werden, um das Humankapital der NATO zu schützen, aber auch, um von den Schwachstellen unserer Gegner profitieren zu können”.
Der Bericht enthüllt in erschreckender Weise, dass “das Ziel der kognitiven Kriegsführung darin besteht, der Gesellschaft und nicht nur dem Militär zu schaden”.
Da die gesamte Zivilbevölkerung im Fadenkreuz der NATO steht, betonte der Bericht, dass die westlichen Streitkräfte enger mit den Hochschulen zusammenarbeiten müssen, um die Sozial- und Geisteswissenschaften als Waffe einzusetzen und dem Bündnis bei der Entwicklung seiner Kapazitäten für die kognitive Kriegsführung zu helfen.
In der Studie wird dieses Phänomen als “Militarisierung der Gehirnforschung” bezeichnet. Es scheint jedoch klar zu sein, dass die Entwicklung der kognitiven Kriegsführung durch die NATO zu einer Militarisierung aller Aspekte der menschlichen Gesellschaft und Psychologie führen wird, von den intimsten sozialen Beziehungen bis hin zum Verstand selbst.
Diese allumfassende Militarisierung der Gesellschaft spiegelt sich im paranoiden Ton des von der NATO gesponserten Berichts wider, in dem vor einer “eingebetteten fünften Kolonne” gewarnt wird, “in der sich jeder, ohne es zu wissen, nach den Plänen eines unserer Konkurrenten verhält”. Die Studie macht deutlich, dass es sich bei diesen “Konkurrenten”, die angeblich das Bewusstsein westlicher Dissidenten ausnutzen, um China und Russland handelt.
Mit anderen Worten: Das Dokument zeigt, dass die Verantwortlichen des NATO-Militärkartells ihre eigene Bevölkerung zunehmend als Bedrohung ansehen und befürchten, dass Zivilisten potenzielle chinesische oder russische Schläferzellen sind; heimtückische “fünfte Kolonnen”, die die Stabilität der “westlichen liberalen Demokratien” herausfordern.
Die Entwicklung neuartiger Formen der hybriden Kriegsführung durch die NATO erfolgt zu einer Zeit, in der die militärischen Kampagnen der Mitgliedstaaten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß auf die eigene Bevölkerung abzielen.
Der Ottawa Citizen berichtete im September dieses Jahres, dass das Joint Operations Command (Gemeinsames Einsatzkommando) des kanadischen Militärs die Covid-19-Pandemie dazu nutzte, einen Informationskrieg gegen die eigene Bevölkerung zu führen, indem es Propagandataktiken an der kanadischen Zivilbevölkerung erprobte.
Interne, von der NATO gesponserte Berichte deuten darauf hin, dass diese Enthüllung nur der Anfang einer Welle neuer unkonventioneller Kriegsführungstechniken ist, die westliche Militärs weltweit einsetzen.
Kanada veranstaltet NATO-Innovationswettbewerb zur kognitiven Kriegsführung
Zweimal im Jahr veranstaltet die NATO eine “Werbeveranstaltung”, die sie als “Innovationswettbewerb” bezeichnet. Bei diesen Kampagnen – die eine wird im Frühjahr, die andere im Herbst von wechselnden Mitgliedstaaten ausgerichtet – werden private Unternehmen, Organisationen und Forscher aufgefordert, an der Entwicklung neuer Taktiken und Technologien für das Militärbündnis mitzuwirken.
Die Herausforderungen, die einem Haifischbecken ähneln, spiegeln den vorherrschenden Einfluss der neoliberalen Ideologie innerhalb der NATO wider, da die Teilnehmer den freien Markt, öffentlich-private Partnerschaften und die Aussicht auf Geldpreise nutzen, um die Agenda des militärisch-industriellen Komplexes voranzutreiben.
Der Innovationswettbewerb der NATO im Herbst 2021 wird von Kanada ausgerichtet und trägt den Titel “Die unsichtbare Bedrohung: Werkzeuge zur Bekämpfung der kognitiven Kriegsführung”.

“Die kognitive Kriegsführung zielt darauf ab, nicht nur das Denken, sondern auch das Handeln der Menschen zu verändern”, schreibt die kanadische Regierung in ihrer offiziellen Erklärung zum Wettbewerb. “Angriffe auf den kognitiven Bereich beinhalten die Integration von Cyber-, Desinformations-/Fehlinformations-, psychologischen und Social-Engineering-Fähigkeiten”.
In der Pressemitteilung Ottawas heißt es weiter:
“Die kognitive Kriegsführung betrachtet den Verstand als Schlachtfeld und umkämpften Bereich. Ihr Ziel ist es, Dissonanzen zu erzeugen, widersprüchliche Narrative zu schüren, Meinungen zu polarisieren und Gruppen zu radikalisieren. Kognitive Kriegsführung kann Menschen zu Handlungen motivieren, die eine ansonsten kohäsive Gesellschaft stören oder fragmentieren können.”
NATO-unterstützte kanadische Militärs erörtern kognitive Kriegsführung auf einer Podiumsveranstaltung
Eine Interessengruppe, die NATO Association of Canada, hat sich zur Unterstützung des Innovationswettbewerbs mobilisiert und arbeitet eng mit militärischen Auftragnehmern zusammen, um den Privatsektor dazu zu bewegen, im Interesse der NATO – und ihres eigenen Gewinns – in weitere Forschung zu investieren.
Die NATO Association of Canada (NAOC) ist zwar technisch gesehen eine unabhängige Nichtregierungsorganisation, ihre Aufgabe besteht jedoch in der Förderung der NATO, und die Organisation rühmt sich auf ihrer Website: “Die NAOC unterhält enge Beziehungen zur kanadischen Regierung, einschließlich des Ministeriums für globale Angelegenheiten und des Verteidigungsministeriums”.
Im Rahmen seiner Bemühungen um die Förderung des kanadischen NATO-Innovationswettbewerbs veranstaltete das NAOC am 5. Oktober eine Podiumsdiskussion über kognitive Kriegsführung.
Der Forscher François du Cluzel, der die endgültige, von der NATO geförderte Studie über kognitive Kriegsführung für 2020 verfasst hat, nahm neben von der NATO unterstützten kanadischen Militäroffizieren an der Veranstaltung teil.

Das Gremium wurde von Robert Baines, dem Präsidenten des kanadischen NATO-Verbandes, geleitet. Moderiert wurde sie von Garrick Ngai, einer Marketing-Führungskraft in der Waffenindustrie, der als Berater des kanadischen Verteidigungsministeriums und als Vizepräsident und Direktor des NAOC tätig ist.
Baines eröffnete die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass die Teilnehmer über “kognitive Kriegsführung und neue Wettbewerbsbereiche” diskutieren würden, “in denen staatliche und nichtstaatliche Akteure versuchen, das Denken und Handeln der Menschen zu beeinflussen”.
Der Präsident des NAOC wies auch erfreut auf die lukrativen “Chancen für kanadische Unternehmen” hin, die dieser NATO-Innovationswettbewerb verspricht.
NATO-Forscher beschreibt kognitive Kriegsführung als “Methoden zur Schädigung des Gehirns”
Den Auftakt der Podiumsdiskussion am 5. Oktober machte François du Cluzel, ein ehemaliger französischer Offizier, der 2013 an der Gründung des NATO Innovation Hub (iHub, Innovationszentrum der NATO) mitwirkte, das er seither von seinem Sitz in Norfolk (Virginia) aus leitet.
Obwohl der iHub auf seiner Website aus rechtlichen Gründen darauf besteht, dass die “Meinungen, die auf dieser Plattform geäußert werden, nicht den Standpunkt der NATO oder einer anderen Organisation darstellen”, wird die Organisation vom Allied Command Transformation (ACT, Alliiertes Kommando für Umgestaltung) gesponsert, das als “eines der beiden strategischen Kommandos an der Spitze der militärischen Kommandostruktur der NATO” bezeichnet wird.
Das Innovation Hub fungiert daher als eine Art NATO-internes Forschungszentrum oder Denkfabrik. Seine Forschung ist nicht unbedingt offizielle NATO-Politik aber sie wird direkt von der NATO unterstützt und überwacht.
Im Jahr 2020 beauftragte der Supreme Allied Commander Transformation (SACT, Oberster Alliierter Befehlshaber für Fragen der Umgestaltung) der NATO du Cluzel als Leiter des iHub mit der Durchführung einer sechsmonatigen Studie über kognitive Kriegsführung.
Du Cluzel fasste seine Forschungsergebnisse im Oktober dieses Jahres in dem Gremium zusammen. Zu Beginn seiner Ausführungen stellte er fest, dass die kognitive Kriegsführung “derzeit eines der heißesten Themen für die NATO ist” und “in den letzten Jahren zu einem immer wiederkehrenden Begriff in der militärischen Terminologie geworden ist”.
Obwohl er Franzose ist, betonte Du Cluzel, dass die Strategie der kognitiven Kriegsführung “derzeit von meinem Kommando hier in Norfolk, USA, entwickelt wird”.
Der Leiter des NATO Innovation Hub hielt eine PowerPoint-Präsentation und eröffnete seinen Vortrag mit einer provokanten Folie, die die kognitive Kriegsführung als “Kampf um das Gehirn” beschrieb.

“Kognitive Kriegsführung ist ein neues Konzept, das in der Informationssphäre ansetzt und eine Art hybride Kriegsführung darstellt”, so du Cluzel.
“Es beginnt mit der Hyperkonnektivität. Jeder hat ein Mobiltelefon”, fuhr er fort. “Es beginnt mit Informationen, denn Informationen sind, wenn ich so sagen darf, der Treibstoff der kognitiven Kriegsführung. Aber es geht weit über die reine Information hinaus, die eine eigenständige Operation ist – Informationskriegsführung ist eine eigenständige Operation.”
Die kognitive Kriegsführung überschneidet sich mit den Big-Tech-Konzernen und der Massenüberwachung, denn “es geht um die Nutzung von Big Data”, erklärte du Cluzel. “Wir produzieren Daten, wo immer wir sind. Jede Minute, jede Sekunde, die wir online sind. Und es ist extrem einfach, diese Daten zu verwerten, um den Menschen besser kennenzulernen und dieses Wissen zu nutzen, um seine Denkweise zu verändern.”
Natürlich behauptete der NATO-Forscher, dass ausländische “Gegner” die vermeintlichen Aggressoren seien, die kognitive Kriegsführung betreiben. Gleichzeitig machte er aber auch deutlich, dass das westliche Militärbündnis seine eigenen Taktiken entwickelt.
Du Cluzel definierte die kognitive Kriegsführung als “die Kunst, Technologien einzusetzen, um die Wahrnehmung menschlicher Zielpersonen zu verändern”.
Diese Technologien, so Du Cluzel, umfassen die Bereiche der NBIC – also Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und kognitive Wissenschaft. Alles zusammen “ergibt eine Art sehr gefährlichen Cocktail, der das Gehirn weiter manipulieren kann”, sagte er.

Du Cluzel erklärte weiter, dass die ungewöhnliche neue Angriffsmethode “weit über” Informationskriegsführung oder psychologische Operationen (Psyops) hinausgehe.
“Kognitive Kriegsführung ist nicht nur ein Kampf gegen das, was wir denken, sondern vielmehr ein Kampf gegen die Art und Weise, wie wir denken, wenn wir die Art und Weise, wie die Menschen denken, ändern können”, sagte er. “Sie ist viel mächtiger und geht weit über die Informationskriegsführung und Psyops hinaus”.
Du Cluzel fuhr fort: “Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich um ein Spiel mit unserer Kognition handelt, mit der Art und Weise, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet und in Wissen umwandelt, und nicht nur um ein Spiel mit Informationen oder mit psychologischen Aspekten unseres Gehirns. Es ist nicht nur eine Maßnahme gegen das, was wir denken, sondern auch eine Maßnahme gegen die Art und Weise, wie wir denken, wie wir Informationen verarbeiten und sie in Wissen umwandeln.”
“Mit anderen Worten: Kognitive Kriegsführung ist nicht nur ein anderes Wort, ein anderer Name für Informationskrieg. Es ist ein Krieg gegen unseren individuellen Prozessor, unser Gehirn.”
Der NATO-Forscher betonte, dass “dies für uns im Militär extrem wichtig ist”, weil “es das Potenzial hat, durch die Entwicklung neuer Waffen und Methoden zur Schädigung des Gehirns die Neurowissenschaften und die Technologie in vielen, vielen verschiedenen Ansätzen zur Beeinflussung der menschlichen Ökologie einzusetzen … denn Sie alle wissen, dass es sehr leicht ist, eine zivile Technologie in eine militärische zu verwandeln.”

Was die möglichen Ziele der kognitiven Kriegsführung anbelangt, so erklärte du Cluzel, dass jeder in Frage käme.
“Die kognitive Kriegsführung hat eine universelle Reichweite, die vom Individuum bis hin zu Staaten und multinationalen Organisationen reicht”, sagte er. “Ihr Aktionsfeld ist global und zielt darauf ab, die Kontrolle über den Menschen zu erlangen, sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich.”
Und der private Sektor hat ein finanzielles Interesse daran, die Forschung im Bereich der kognitiven Kriegsführung voranzutreiben, wie er bemerkte:
“Die massiven weltweiten Investitionen in die Neurowissenschaften legen nahe, dass der kognitive Bereich wahrscheinlich eines der Schlachtfelder der Zukunft sein wird.”
Die Entwicklung der kognitiven Kriegsführung verändert den militärischen Konflikt, wie wir ihn kennen, völlig, so du Cluzel, und fügt dem “modernen Schlachtfeld eine dritte wichtige Kampfdimension hinzu: Zur physischen und informationsbezogenen Dimension kommt nun eine kognitive Dimension hinzu”.
Dies “schafft einen neuen Wettbewerbsraum jenseits der so genannten fünf Einsatzbereiche – oder Land-, See-, Luft-, Cyber- und Weltraumbereiche. Die Kriegsführung in der kognitiven Dimension mobilisiert ein breiteres Spektrum an Gefechtsräumen, als es die physische und die Informationsdimension allein tun können.”
Kurz gesagt, der Mensch selbst ist der neue umkämpfte Bereich in dieser neuen Form der hybriden Kriegsführung, neben Land, See, Luft, Internet und Weltraum.

NATO-Studie zur kognitiven Kriegsführung warnt vor “eingebetteter fünfter Kolonne”
Die von François du Cluzel, dem Leiter des NATO-Innovationszentrums, von Juni bis November 2020 durchgeführte Studie wurde vom Alliierten Kommando für Fragen der Umgestaltung (Allied Command Transformation) des Militärkartells gesponsert und im Januar 2021 in Form eines 45-seitigen Berichts veröffentlicht (PDF).
Das erschreckende Dokument zeigt, wie die heutige Kriegsführung eine Art dystopisches Stadium erreicht hat, das früher nur in Science-Fiction-Filmen vorstellbar war.
“Das Wesen der Kriegsführung hat sich verändert”, betont der Bericht. “Die meisten aktuellen Konflikte bleiben unterhalb der Schwelle der traditionell akzeptierten Definition von Kriegsführung, aber es sind neue Formen der Kriegsführung entstanden, wie z.B. die kognitive Kriegsführung (CW), während der menschliche Verstand jetzt als neuer Kriegsbereich betrachtet wird.”
Für die NATO ist die Forschung im Bereich der kognitiven Kriegsführung nicht nur defensiv, sondern auch sehr offensiv ausgerichtet.
“Die Entwicklung von Fähigkeiten zur Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Gegners wird eine Notwendigkeit sein”, heißt es in dem Bericht von du Cluzel eindeutig. “Mit anderen Worten: Die NATO wird die Fähigkeit erlangen müssen, ihren Entscheidungsprozess zu schützen und den des Gegners zu behindern.”
Und jeder könne Ziel dieser kognitiven Kriegsführung sein: “Jeder Nutzer moderner Informationstechnologien ist ein potenzielles Ziel. Sie zielt auf das gesamte Humankapital einer Nation ab”, fügte der Bericht bedrohlich hinzu.
“Ein kognitiver Krieg kann nicht nur als Ergänzung zu einem militärischen Konflikt durchgeführt werden, sondern auch eigenständig, ohne jegliche Verbindung zu einem Streitkräfteeinsatz”, heißt es in der Studie weiter. “Darüber hinaus ist die kognitive Kriegsführung potenziell endlos, da es für diese Art von Konflikten weder einen Friedensvertrag noch eine Kapitulation geben kann.”
So wie diese neue Art des Kampfes keine geografischen Grenzen kennt, hat sie auch keine zeitliche Begrenzung:
“Dieses Schlachtfeld ist über das Internet global. Diese Eroberung kennt keinen Anfang und kein Ende, keine Pause, sondern wird durch Benachrichtigungen von unseren Smartphones an jedem beliebigen Ort, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, begleitet.”
In der von der NATO geförderten Studie heißt es, dass “einige NATO-Staaten bereits anerkannt haben, dass neurowissenschaftliche Techniken und Technologien ein hohes Potenzial für den operativen Einsatz in einer Vielzahl von Sicherheits-, Verteidigungs- und Nachrichtendienstunternehmen haben”.
Sie sprach von Durchbrüchen bei “neurowissenschaftlichen Methoden und Technologien” (neuroS/T) und sagte:
“Nutzung von Forschungsergebnissen und -produkten, um die Leistung von Kämpfern direkt zu verbessern, die Integration von Mensch-Maschine-Schnittstellen zur Optimierung der Kampffähigkeiten halbautonomer Systeme (z. B. Drohnen) und die Entwicklung biologischer und chemischer Waffen (d. h. Neurowaffen).”
Das Pentagon gehört zu den wichtigsten Institutionen, die diese neuartige Forschung vorantreiben, wie der Bericht hervorhebt:
“Obwohl eine Reihe von Nationen neurowissenschaftliche Forschung und Entwicklung für militärische Zwecke betrieben haben und betreiben, wurden die vielleicht proaktivsten Bemühungen in dieser Hinsicht vom Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten unternommen, wobei die bemerkenswertesten und am schnellsten voranschreitenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) und der Intelligence Advanced Research Projects Activity (IARPA) durchgeführt wurden.”
Zu den militärischen Verwendungszwecken der NeuroS/T-Forschung gehören der Studie zufolge die Nachrichtengewinnung, die Ausbildung, die “Optimierung der Leistung und Widerstandsfähigkeit von Kampf- und militärischem Hilfspersonal” und natürlich die “direkte Bewaffnung der Neurowissenschaft und Neurotechnologie”.
Diese Verwendung von NeuroS/T als Waffe kann und wird fatale Folgen haben, wie die von der NATO geförderte Studie deutlich macht. Die Forschung kann eingesetzt werden, um “Aggressionen abzuschwächen, Kognitionen und Emotionen der Zugehörigkeit oder Passivität zu fördern, Morbidität, Behinderungen oder Leiden hervorzurufen, potenzielle Gegner zu ‘neutralisieren’ oder Mortalität herbeizuführen” – mit anderen Worten, um Menschen zu verstümmeln und zu töten.
In dem Bericht wird US-Generalmajor Robert H. Scales zitiert, der die neue Kampfphilosophie der NATO zusammenfasst: “Der Sieg wird eher durch die Eroberung der psychokulturellen als der geographischen Überlegenheit definiert.”
Und während die NATO Taktiken der kognitiven Kriegsführung zur “Eroberung der psychokulturellen Ebene” entwickelt, setzt sie auch verschiedene wissenschaftliche Bereiche zunehmend als Waffen ein.
Die Studie sprach vom “Schmelztiegel der Daten- und Humanwissenschaften” und betonte, dass “die Kombination von Sozialwissenschaften und Systemtechnik entscheidend sein wird, wenn es darum geht, militärische Analysten bei der Verbesserung der Informationsgewinnung zu unterstützen”.
“Wenn die kinetische Macht den Feind nicht besiegen kann”, so die Studie, “werden Psychologie und damit verbundene Verhaltens- und Sozialwissenschaften die Lücke füllen.”
“Die Nutzung der Sozialwissenschaften wird bei der Entwicklung des Human Domain Plan of Operations (Operationsplan für den Humanbereich) eine zentrale Rolle spielen”, so der Bericht weiter. “Er wird die Kampfhandlungen unterstützen, indem er potenzielle Handlungsoptionen für den gesamten Humanbereich, einschließlich der feindlichen Kräfte, bereitstellt, aber auch wichtige menschliche Elemente wie den Kognitionsschwerpunkt und das gewünschte Verhalten als Endzustand bestimmt.”
Alle akademischen Disziplinen werden in die kognitive Kriegsführung einbezogen, nicht nur die exakten Wissenschaften. “Innerhalb des Militärs werden Fachkenntnisse in den Bereichen Anthropologie, Ethnographie, Geschichte, Psychologie und anderen Bereichen mehr denn je erforderlich sein, um mit dem Militär zusammenzuarbeiten”, heißt es in der von der NATO geförderten Studie.
Der Bericht schließt mit einem unheimlichen Zitat:
“Die heutigen Fortschritte in der Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und Kognitionswissenschaft (NBIC), verstärkt durch den scheinbar unaufhaltsamen Vormarsch einer triumphalen Troika aus künstlicher Intelligenz, Big Data und zivilisatorischer ‘digitaler Sucht’, haben eine weitaus bedrohlichere Aussicht geschaffen: eine eingebettete fünfte Kolonne, in der sich jeder, ohne es zu wissen, nach den Plänen eines unserer Konkurrenten verhält.”
“Das moderne Konzept des Krieges dreht sich nicht um Waffen, sondern um Einfluss”, heißt es in dem Bericht. “Langfristig wird der Sieg ausschließlich von der Fähigkeit abhängen, den kognitiven Bereich zu beeinflussen, zu beeinträchtigen, zu verändern oder zu prägen.”
Die von der NATO gesponserte Studie schließt mit einem letzten Absatz, der unmissverständlich klarstellt, dass das westliche Militärbündnis nicht nur die physische Kontrolle über den Planeten, sondern auch die Kontrolle über die Köpfe der Menschen anstrebt:
“Die kognitive Kriegsführung könnte das fehlende Element sein, das den Übergang vom militärischen Sieg auf dem Schlachtfeld zum dauerhaften politischen Erfolg ermöglicht. Der Humanbereich könnte durchaus der entscheidende Bereich sein, in dem Operationen in mehreren Bereichen die Wirkung des Befehlshabers erzielen. Die fünf ersten Bereiche können taktische und operative Siege bringen; nur der Humanbereich kann den endgültigen und vollständigen Sieg erringen.”
Kanadischer Offizier für Spezialeinsätze unterstreicht die Bedeutung der kognitiven Kriegsführung
Als der NATO-Forscher François du Cluzel, der die Studie zur kognitiven Kriegsführung durchgeführt hat, seine Ausführungen auf der Podiumsdiskussion der NATO Association of Canada am 5. Oktober beendete, sprach anschließend Andy Bonvie, ein kommandierender Offizier des Canadian Special Operations Training Centre.
Bonvie, der über mehr als 30 Jahre Erfahrung bei den kanadischen Streitkräften verfügt, sprach darüber, wie westliche Streitkräfte die Forschungsergebnisse von du Cluzel und anderen nutzen und neuartige Techniken der kognitiven Kriegsführung in ihre Kampfhandlungen einbeziehen.
“Die kognitive Kriegsführung ist für uns eine neue Art der hybriden Kriegsführung”, sagte Bonvie. “Und das bedeutet, dass wir uns die traditionellen Konfliktschwellen ansehen müssen und dass die Dinge, die wir tun, wirklich unterhalb dieser Konfliktschwellen liegen, nämlich kognitive Angriffe und nicht-kinetische Formen und nicht-kombattative Bedrohungen gegen uns. Wir müssen diese Angriffe besser verstehen und unsere Aktionen und unsere Ausbildung entsprechend anpassen, um in diesen unterschiedlichen Bereichen operieren zu können.”

Obwohl er die Maßnahmen der NATO als “defensiv” darstellte und behauptete, die “Gegner” würden kognitive Kriegsführung gegen sie einsetzen, stellte Bonvie unmissverständlich klar, dass die westlichen Streitkräfte diese Techniken selbst entwickeln, um einen “taktischen Vorteil” zu erhalten.
“Wir dürfen den taktischen Vorteil, den wir unseren Truppen verschaffen, nicht verlieren, denn er erstreckt sich nicht nur auf taktische, sondern auch auf strategische Aspekte”, sagte er. “Einige der verschiedenen Fähigkeiten, die wir haben und nutzen, könnten plötzlich gegen uns verwendet werden. Wir müssen also besser verstehen, wie schnell sich unsere Gegner an neue Gegebenheiten anpassen, und wir müssen in der Lage sein, vorherzusagen, wohin sie sich in Zukunft bewegen werden, damit wir den taktischen Vorteil für unsere Truppen aufrechterhalten können.”
Kognitive Kriegsführung ist die fortschrittlichste Form der Manipulation, die es bisher gab
Marie-Pierre Raymond, eine pensionierte kanadische Oberstleutnantin, die derzeit als “Verteidigungswissenschaftlerin und Innovationsportfoliomanagerin” für das “Innovation for Defence Excellence and Security Program” der kanadischen Streitkräfte tätig ist, nahm ebenfalls an der Diskussionsrunde am 5. Oktober teil.
“Die Zeiten, in denen Kriege geführt wurden, um mehr Land zu gewinnen, sind längst vorbei”, sagte Raymond. “Jetzt geht es darum, die Ideologie des Gegners zu ändern, was das Gehirn zum Mittelpunkt des Menschen macht. Damit wird der Mensch zum umkämpften Bereich und der Verstand zum Schlachtfeld”.
“Wenn wir über hybride Bedrohungen sprechen, ist die kognitive Kriegsführung die bisher am weitesten fortgeschrittene Form der Manipulation”, fügte sie hinzu und merkte an, dass diese darauf abzielt, die Entscheidungsfindung von Einzelpersonen zu beeinflussen und “eine Gruppe von Einzelpersonen in ihrem Verhalten zu beeinflussen, mit dem Ziel, einen taktischen oder strategischen Vorteil zu erlangen.”
Raymond merkte an, dass sich die kognitive Kriegsführung auch stark mit künstlicher Intelligenz, Big Data und sozialen Medien überschneidet und “die rasante Entwicklung der Neurowissenschaften als Kriegsinstrument” widerspiegelt.
Raymond ist im Auftrag des kanadischen Verteidigungsministeriums, das die Verantwortung für das Management an das IDEaS-Programm (Innovation for Defence Excellence and Security) des Militärs delegiert hat, bei dem sie arbeitet, für die Überwachung der NATO-Innovationsherausforderung Herbst 2021 zuständig.
Im hochtechnischen Jargon wies Raymond darauf hin, dass das Programm zur kognitiven Kriegsführung nicht nur defensiv, sondern auch offensiv ausgerichtet ist:
“Diese Herausforderung verlangt nach einer Lösung, die den entstehenden Humanbereich der NATO unterstützt und die Entwicklung eines kognitiven Ökosystems innerhalb der Allianz ankurbelt, und die die Entwicklung neuer Anwendungen, neuer Systeme, neuer Werkzeuge und Konzepte unterstützt, die zu konkreten Maßnahmen im kognitiven Bereich führen.”
Sie betonte, dass dies “eine nachhaltige Zusammenarbeit zwischen Verbündeten, Entwicklern und Forschern erfordert, um unsere Truppen in die Lage zu versetzen, im kognitiven Bereich zu kämpfen und zu gewinnen. Genau das erhoffen wir uns von diesem Aufruf an die Entwickler und Forscher”.
Um das Interesse der Unternehmen am NATO-Innovationswettbewerb zu wecken, lockte Raymond mit den Worten: “Die Bewerber erhalten nationale und internationale Aufmerksamkeit und Geldpreise für die beste Lösung.” Dann fügte sie verlockend hinzu: “Dies könnte auch den Bewerbern zugute kommen, da sie potenziell Zugang zu einem Markt erhalten, der 30 Nationen umfasst.”

Kanadischer Militäroffizier fordert Unternehmen auf, in die NATO-Forschung zur kognitiven Kriegsführung zu investieren
Die andere Institution, die im Auftrag des kanadischen Verteidigungsministeriums den NATO Innovationswettbewerb im Herbst 2021 verwaltet, ist das Kommando der Spezialeinsatzkräfte (CANSOFCOM).
Der kanadische Offizier Shekhar Gothi, der für das CANSOFCOM arbeitet, war der letzte Diskussionsteilnehmer auf der Veranstaltung der NATO-Vereinigung Kanadas am 5. Oktober. Gothi ist der “Innovationsbeauftragte” von CANSOFCOM für Südontario.
Zum Abschluss der Veranstaltung appellierte er an die Unternehmen, in die Forschung der NATO im Bereich der kognitiven Kriegsführung zu investieren.
Der alle zwei Jahre stattfindende Innovationswettbewerb sei “Teil des NATO-Kampfrhythmus”, erklärte Gothi begeistert.
Er wies darauf hin, dass Portugal im Frühjahr 2021 einen NATO-Innovationswettbewerb mit Schwerpunkt auf der Kriegsführung im Weltraum ausgerichtet habe.
Im Frühjahr 2020 veranstalteten die Niederlande einen NATO-Innovationswettbewerb zum Thema Covid-19.
Gothi versicherte den Investoren aus der Wirtschaft, dass die NATO alles tun werde, um ihre Gewinne zu schützen:
“Ich kann allen versichern, dass der NATO-Innovationswettbewerb zeigt, dass alle Innovatoren die vollständige Kontrolle über ihr geistiges Eigentum behalten werden. Die NATO wird also nicht die Kontrolle darüber übernehmen. Das wird Kanada auch nicht tun. Die Innovatoren werden die Kontrolle über ihr geistiges Eigentum behalten.”
Diese Bemerkung war ein passender Abschluss der Podiumsdiskussion und bestätigte, dass die NATO und ihre Verbündeten im militärisch-industriellen Komplex nicht nur versuchen, die Welt und die Menschen, die sie bewohnen, mit beunruhigenden Techniken der kognitiven Kriegsführung zu beherrschen, sondern auch sicherzustellen, dass Unternehmen und ihre Aktionäre weiterhin von diesen imperialen Bestrebungen profitieren.
Autor: Ben Norton
Am 08.10.21 erschienen auf: https://thegrayzone.com/2021/10/08/nato-cognitive-warfare-brain/